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AutorenbildTom David Frey

Wie die Palästinenser Frieden verhindern


 

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Es ist Spätherbst.

In Israel und der Westbank heißt das angenehm milde Temperaturen, viel Sonnenschein, der nur hin und wieder von kräftigen Regengüssen unterbrochen wird.

Auch das Gemüt meines Gesprächspartners ist an diesem Tag entspannt. Muhammad* hat ein breites Lächeln in seinem runden Gesicht und seine Körpersprache drückt mit jeder seiner ausladenden Gesten Gastfreundlichkeit aus. Muhammad ist Geschäftsmann. Er hat viele Verbindungen, grüßt im Vorübergehen die wenigen Ladenbesitzer, die um diese touristenarme Jahreszeit noch ihre Geschäfte öffnen und ihre Teppiche, Souvenirs und vielfältigen Köstlichkeiten anbieten.

Muhammad lädt mich auf einen Orangensaft ein. Natürlich frisch gepresst. Er erzählt von seinem Leben in dieser Stadt, in die Touristen sich nur selten verirren. In die Israelis nur in mit Panzerglas verstärkten Bussen fahren, aus Angst, einem Scharfschützen zum Opfer zu fallen.



Wir sind in Hebron. Die kleine Stadt mit ihrer labyrinthartigen Altstadt liegt südlich von Jerusalem in einer eigentlich kargen, felsigen Landschaft. Und Hebron ist politisch umstritten. Wieder einmal beanspruchen mehrere Parteien dasselbe Land. Wie so oft in Nahost. Einerseits sind da die Palästinenser, andererseits das israelische Militär, dann die Gläubigen aller drei Weltreligionen und natürlich noch die Siedler. Die einen wollen Palästina befreien, die anderen Judäa und Samaria.

Bekannt ist Hebron aber schon viel länger, als es den Israelisch-Palästinensischen Konflikt gibt. In der bergigen Umgebung der Stadt wuchsen schon zu Zeiten des alten Testaments Olivenbäume und Handel war ein wichtiges Standbein der kleinen Metropole. Hebron ist eine der ältesten Städte des Nahen Ostens. Wer die Bibel liest, der kommt um Hebron nicht herum. Ganze 64 mal findet sie dort Erwähnung. Allerdings manchmal auch unter dem Namen „Kiriath Arba“, was „Stadt der Vier“ bedeutet. Die Zahl Vier steht hierbei für den Vater der drei großen monotheistischen Religionen: Abraham. Außerdem für dessen Söhne Isaac und Jacob und für deren Frauen. Sarah, Rebekka und Lea. Auch zu Zeiten König Davids war Hebron von großer Bedeutung. Bevor er nämlich seine Hauptstadt aus strategischen Gründen nach Jerusalem verlegte, diente ihm Hebron als Zentrum seines Königreichs. Hier, im Herzen der Altstadt, ist die Ruhestätte von Abraham und seinen Nächsten. Die „Höhle der Patriarchen“ sieht von außen gar nicht aus, wie man sich eine Höhle vorstellt, denn fleißige Bauherren haben hier im Laufe der Zeit ein riesiges Monument gebaut, eine Art Festung. Die Mauern des quadratisch geplanten Bauwerks waren im Laufe der Zeit bis zu sechs Metern stark. Spuren verschiedener Machthaber sind im kunstvoll gestalteten Bauwerk sichtbar. Die Grabstätte wird von allen drei monotheistischen Religionen gleichermaßen verehrt. Einerseits hat das die Stätte über die Jahrtausende gerettet, andererseits sind Konflikte und ist Blutvergießen ein fester Bestandteil des ewigen Ringes um Einfluss und Macht. Muhammad trinkt seinen Kaffee, ich beende meinen Orangensaft. Wir schlendern weiter durch die Stadt. Er erzählt, dass hier alles besser war, bevor „die Zionisten“ kamen.


Ob er damit die immer dagewesene jüdische Präsenz in der Stadt selbst meint, oder doch eher das Land Israel? Oder aber das israelische Militär? Oder vielleicht doch die Siedler? Darauf gibt Muhammad keine klare Antwort.

Was allerdings durchklingt, ist Muhammad Forderung, dass jedes Stück Land, das Israel 1967 annektiert hat, zurückgegeben werden muss. Ganz egal, wer die Kriege vom Zaun gebrochen hat, die immer wieder zu faktischen Grenzverschiebungen führten. Ganz egal, dass die Devise Land gegen Frieden nur für gescheitert erklärt werden kann.


Wir kommen an einem kleinen Lädchen vorbei. Hier finden sich viele kunstvolle Ornamente aus Glas.

Ich frage Muhammad, wo die vielen schönen Glas- und Keramikwaren hergestellt werden. In Palästina. Genau hinter Dir. Muhammad führt mich durch einen tiefen Torbogen in einen vollgestopften Raum. Überall Glas. Wo das Auge auch hinschaut. Große und kleine Ornamente stehen auf Haltern, hängen von der Decke, sind in Körbchen im Raum verteilt. In der Mitte des verwinkelten Raumes, in dem man an manchen Stellen nur geduckt stehen kann, ist ein großer Ofen, vor dem ein Glasbläser sitzt und kunstvoll einer durchsichtig-orange glühenden Masse Leben einhaucht. So viel liebe zum künstlerischen Detail ist eine willkommene Abwechslung in dieser immer angespannten Stadt. Natürlich kennen sich der Glasbläser und Muhammad und beginnen sich auf Arabisch zu unterhalten.



Aber selbst hier, in diesem stickigen, kleinen Raum, der voll ist mit Kunsthandwerk und der nach dem heißen Ofen, nach Schweiß und harter Arbeit riecht, selbst hier finden sich Souvenirs, die mit Glas und Kunst nichts zu tun haben, die mir aber an fast jedem der geöffneten Lädchen schon aufgefallen sind. Viele der kleinen Anhänger sind in den Farben Schwarz-Weiß-Grün-Rot gehalten. In den Farben der palästinensischen Flagge.

Das überrascht. Wo manche Länder mit überbordendem Nationalismus zu kämpfen haben, ist in der arabischen Welt die geringe Bindung an Nationalstaaten oftmals ein Problem, für das man vielerorts bis heute keine Lösungen gefunden hat. Aber hier, in den palästinensischen Gebieten, so scheint es, ist der Nationalismus fest in der Gesellschaft verankert, zählt die politische Identität mehr als die ansonsten tonangebende Religion, die im arabischen Raum zumeist grenzüberschreitend identitätsstiftend ist. Aber neben den bunten Flaggen und anderen Emblemen, die man mit den Nationalfarben gestaltet hat, finden sich noch weitere Ornamente. Da ist zum Beispiel die kleine Kalashnikov, die als Magnet für den Kühlschrank angeboten wird. Und silberne Plastikschlüssel, die symbolisch für die Rückeroberung des gesamten Heiligen Landes stehen, findet man auch an fast jedem Laden. Auch kann man sich Magnete und Anhänger in der Form des Heiligen Landes kaufen, allerdings in den Nationalfarben Palästinas.



Ich beginne ein entspanntes Gespräch mit einer der schüchtern wirkenden Verkäuferinnen. Ich frage ganz frei, ob man Palästina mehr liebe, als man Israel hasse. Nach einem kurzen Moment antwortet sie in gebrochenem Englisch, geht aber auf die Frage nur indirekt ein. Ihr sei nicht daran gelegen, stellt sie fest, über Nationen zu reden. Palästina, Israel; Das eigentliche Problem sei der Alltag. Die israelischen Soldaten wären nur in Hebron, weil sie hier ihren Spaß beim Quälen von Palästinensern hätten. Die vielen Checkpoints seien nur zu Erniedrigung da, es gäbe für sie in Wahrheit keine Existenzberechtigung. Schikane, sonst nichts. Ich frage sie, wie sie die vielen verängstigen israelischen Mütter erklärt, die nichts lieber täten, als ihre Söhne und Töchter vom Pflichtdienst im Militär fernzuhalten. Die vor Sorge nicht schlafen können, weil sie wissen, dass ihre Kinder in einer Stadt Dienst tun, in der sie jederzeit attackiert werden können, in einer Stadt, in der die nächste Eskalation immer nur einen Steinwurf entfernt ist. Ich bekomme einen verwirrten Blick als Antwort. Ich möchte die Stille nicht stehenlassen und hake nach. Ich frage, ob sie verstehen könne, dass die vielen Brand- und Messerattacken, dass die Waffengewalt auf israelische Zivilisten der Grund gewesen sei, warum die Regierung Checkpoints aufgebaut habe. Sie zögert abermals, wirkt nachdenklich.

Ihre Antwort höre ich leider nicht mehr, denn in diesem Moment schiebt sich Muhammad zwischen uns, sagt etwas auf Arabisch und erklärt mir, dass wir weitergehen müssen, der Laden würde gleich schließen.

Draußen stelle ich Muhammad die Frage, was die kleinen Anhänger aussagen sollen, die das ganze Land Israel durch einen Staat Palästina ersetzen. Ob man zur Errichtung eines eigenen Nationalstaats nur dann in der Lage sei, wenn es keinen Staat Israel mehr gäbe. Ob das auch seine Sichtweise sei. Muhammad, der eigentlich sehr eloquent und wortgewandt ist und vor westlichem Publikum immer von den Grenzen vor 1967 spricht, beginnt zu schwimmen. Nicht alle Juden müssten weg, aber eben doch alle Zionisten. Mittlerweile nutzt Muhammad die Begriffe Zionisten und Krebsgeschwüre synonym. Ob das implizieren würde, dass der Staat Israel, immerhin aus der zionistischen Bewegung geboren, in seiner Ganzheit verschwinden müsse?

Lautes Schweigen. Wir gehen weiter.


Die Sonne scheint an diesem frühen Dezembertag nur spärlich in die engen Gassen. Und ich habe das Gefühl, dass einige Läden ihre Türen überhaupt nur für mich öffnen, als ich in der so stillen Stadt an ihnen vorbeischlendere. Überall begegnen uns die kleinen Palästina-Anhänger, auf denen Israel nicht in den Grenzen von vor 1967 abgebildet ist, sondern einfach gar nicht mehr vorkommt. Wir erreichen das steinerne Herz der Stadt. Da steht sie, die Festung, die die Höhle der Patriarchen manifestiert. Unübersehbar ragen die Wände der Mauern in die Höhe. Die Heiligkeit des Ortes spürt man. Eine schwere, ebenso erhabene wie einschüchternde Atmosphäre geht von dem Gebäude aus, um das sich so viel Streit rankt, obwohl man doch genau hier auch Einigkeit zwischen den drei großen Weltreligionen hätte vereinbaren können. Aber es überwiegt die Anspannung, die auch in der Stille ihre Hand über die Höhle der Patriarchen ausgebreitet zu haben scheint.



Zusammen betreten Muhammad und ich durch einen kunstvoll verzierten Türbogen den Eingangsbereich der Ibrahimi-Moschee, die sich hinter den hohen Mauern verbirgt. Ich ziehe meine Schuhe aus und stelle sie zu den anderen Schuhpaaren, die an der Wand stehen. Die Teppichböden schlucken alle Geräusche.

Innen ist die Moschee wunderschön. Der Arabische und Osmanische Einfluss ist selbst in den kleinsten Details des Raumes sichtbar. Goldene Verzierungen, wunderschöne Deckenmuster, die noch aus Zeiten stammen, als Christen hier an Abraham, seine Frau, seine Söhne und an deren Frauen dachten und hier beteten, schaffen zusammen eine kunstvolle Symbiose.



Während ich den Raum wahrnehme, beginnt Muhammad abermals ein politisches Gespräch. Ich lasse ihn ausreden, höre ihm minutenlang zu und folge ihm durch die Moschee, an den Grabmälern der Urväter der drei Weltreligionen vorbei. Muhammad erzählt mir aus dem Jahr 1994. Damals nämlich geschah genau hier, im Innenraum der Ibrahimi-Moschee, ein Attentat.

Baruch Goldstein, ein Amerikanisch-Israelischer Extremist, der in den Streitkräften als Arzt diente, betrat während des Ramadan die Gebetsräume. Dort eröffnete er, seine Uniform tragend, das Feuer auf die rund 800 versammelten Gläubigen. Er tötete 29 von ihnen und verletzte 125 weitere, bevor die Umstehenden ihn niederrangen und zu Tode prügelten. Muhammad zeigt auf eine restaurierte Wand, in der man allerdings bei genauerem hinschauen noch immer die Einschlagstelle einer Patrone aus Goldsteins Gewehr sehen kann.


Im Hintergrund vermählt ein Imam ein junges Paar. Beide sehen glücklich aus. Was für ein Kontrast zu der Geschichte, die Muhammad wieder und wieder Touristen, Journalisten und Interessierten erzählt.


Ich frage ihn, wie die israelische Regierung auf den Anschlag reagierte. Er zeigt auf die Trennwand, die die Moschee auf der einen, von der Synagoge auf der anderen Seite durchzieht.

Eine Verurteilung habe es nicht gegeben. Stattdessen hätten sich die Zionisten nur den größeren Teil der heiligen Stätte gesichert. Man habe den Terror genutzt, um im eigenen Sinne Fakten zu schaffen.

Glaubt man den Worten Muhammads, dann ist der Terroranschlag, den Baruch Goldstein 1994 verübte, noch immer Alltag. Für viele hier scheint es so. Als sei das Attentat erst gestern passiert. Wut und Schreck sitzen ihnen in den Gliedern.



Allerdings ist die Version, die Muhammad mir erzählt, nicht ganz richtig wiedergegeben. Kurz nach Goldstein’s Anschlag verurteilte die israelische Regierung öffentlich das Attentat. Aber bei Worten beließ die Regierung unter der Führung von Yitzhak Rabin es nicht. Anhänger des als Extremisten bekannten Meir Kahane, zu denen auch Goldstein selbst gehörte, wurden festgenommen, die ultrareligiös-zionistische Kach-Bewegung kriminalisiert. Auch entwaffnete die damalige Regierung einige Siedler und verhängte Verbote, die ihnen den Zugang zu palästinensischen Orten verweigerte. Einige Zeit nach dem Anschlag einigten sich die Israelische Regierung und die PLO, mit Unterstützung der Vereinigten Staaten, auf einen Teilrückzug der 1967 besetzten Gebiete im Westjordanland, was die einen Judäa und Samaria nennen und die anderen Palästina.

Hierbei kam es auch zu einer Teilung Hebrons. Die Stadt wurde in die Gebiete H1 und H2 aufgeteilt. Der größere Teil, der rund 80% des Stadtgebiets umfasst, wurde der palästinensischen Seite überlassen. Der kleiner Teil, die verbliebenen rund 20%, wurde für die jüdische Bevölkerung vorgesehen. Allerdings zählte zu dem kleineren Gebiet auch die Höhle der Patriarchen. Zugang zum Heiligtum räumte die israelische Regierung aber beiden Konfessionen und allen Bürgern der Stadt ein, allerdings seither in einer durch Wände und schusssicheres Glas geteilten Heiligstätte. Rund zwei Drittel der Fläche des Heiligtums umfassen seitdem die Ibrahimi-Moschee, die muslimischen Gläubigen zur Nutzung offen steht. Das verbliebene Drittel der Höhle der Patriarchen ist seit Unterzeichnung für jüdische Gläubige zugänglich und umfasst mehrere Synagogen und Gebetsräume.


Muhammad antwortet auf meine Frage, welche Seite denn häufiger für Attentate auf Zivilisten verantwortlich sei, offen. Jedem palästinensischen Widerstandskämpfer“, so Muhammad, „billige ich alle Mittel zur Beseitigung der Besatzung zu“. Er selbst sei zwar ein Mann des Friedens, er würde kein Attentat verüben wollen, allerdings würde er sich auch nicht gegen die Gewaltaufrufe und Attentate auf Israelische Zivilisten stellen. Auch dann nicht, wenn Messerattentate zu immer mehr Toten und Verletzten auf beiden Seiten führen. Eine Verurteilung des Terrors spricht Muhammad nur für Baruch Goldstein aus. Die zahllosen Attentate, die die eigene Seite im Laufe der Jahre verübte, egal ob gegen Gräueltaten gegen Frauen und Kinder, gegen Ältere oder Soldaten, sind für ihn nur der bittere Beigeschmack des Widerstands.


Es verwundert nicht, dass das Opferbild zum Narrativ und zur unanfechtbaren Wahrheit geworden ist. Dabei kann man über die international Berichterstattung ebenso sprechen wie über das lokale Bildungssystem, das selbst in Schulbüchern Antisemitismus lehrt. Auch die Verehrung von Mördern, oder, wie sie hier genannt werden, Shahids, also von Menschen, die möglichst viele israelische Zivilisten töten, ist nicht nur trauriger Alltag, sondern wird von den lokalen Behörden massiv unterstützt.

Aber es geht auch subtiler. Das zeigt unser nächster Halt, den wir an einem Museum zur Geschichte Hebrons einlegen. Das Al-Khalil Old Town Museum liegt etwas außerhalb der engen Altstadtgassen Hebrons, die großen Fenster sind lichtdurchflutet und die Atmosphäre erinnert ein bisschen an ein Pariser Kunstatelier. Eine freundlich wirkende ältere Frau führt uns durch die Räumlichkeiten, zeigt uns eine kurze Reportage über die Höhle der Patriarchen. Ein echtes Gespräch kommt aufgrund meiner mangelnden Arabisch- und ihrer mangelnden Englischkenntnisse leider nicht zustande. Als Muhammad mit ihr spricht, nutze ich die Chance, mich alleine umzuschauen.

Ich gehe durch die Räume und lese mir aufmerksam die vielen Schrifttafeln durch. Das Museum entpuppt sich dabei eher als Konservierungsstätte des eigenen politischen Narrativs, denn der historischen und politischen Wahrheit. Auf vielen Schrifttafeln wird die eigene Wahrnehmung ohne Anmerkung als Wahrheit zementiert. In sachlichem Ton wird der Besucher dort mit Israels „kolonialistischem Plan zur Judaisierung der Altstadt Hebrons“ vertraut gemacht - den es so in keiner Niederschrift einer israelischen Regierung bisher gab. Von Israels Versuch einer „Auslöschung des islamischen Erbes“, was der sachlichen Beschreibung eines kulturellen Genozids entspricht, ist ebenso wenig hinterfragt die Rede, wie von den „extremistischen und rassistischen Siedlern“. Nuancen sind hier nicht zu erkennen. Schwarz-Weiß meisselt das Museum das eigene Narrativ in Stein und erklärt, wer Freund und wer Feind ist. Auch das Weglassen der historischen jüdischen Präsenz in Hebron fällt auf den Zeittafeln auf. Einen König David sucht man dort vergeblich. Beim Verlassen des Museum laufen Muhammad und ich noch an einer kleinen Tafel vorbei, die stolz die Restaurierung des Museums mithilfe Schwedischer Mittel im Rahmen der Unesco bekundet.


Die Beteiligung ausländischer Akteure, die von vielen als Einmischung und Parteinahme gesehen wird, ist auch hier sichtbar, in diesem unscheinbar wie friedlich wirkenden Museum.


Als wir am frühen Abend das Museum verlassen, beginnt die Sonne schon unterzugehen. Muhammad und ich laufen zu einer Sicherheitsschleuse, die die Straße einfach in der Mitte durchtrennt. Hier werden wir uns voneinander trennen, ich werde in den anderen, in den kleineren Teil der Stadt gehen und mir dort die Perspektiven und das Narrativ anhören.

Eine Frage aber habe ich noch, die ich Muhammad unbedingt stellen möchte, bevor wir uns trennen. Warum Krebsgeschwüre? Ist das nicht entmenschlichend? Als Antwort deutet Muhammad auf einen schwarzen Kasten, hinter dem, für das geübte Auge unverkennbar, nur eine moderne Sicherheitskamera installiert ist. Muhammad aber nennt die Anlage eine Selbstschussanlage, „wie früher bei Euch in der DDR“.


Ich bedanke mich bei Muhammad für die vielen interessanten Einblicke und Gespräche. Während ich, an gelangweilt wirkenden israelischen Soldaten vorbei, durch die Schleuse gehe, frage ich mich, ob Friedensverhandlungen überhaupt möglich sind.


Europäische Spitzenpolitiker sind gut darin, schnelle Gespräche zu fordern. Kann man überhaupt mit jemandem verhandeln, der einen als Krebsgeschwür bezeichnet? Denn jeder weiß, dass ein Körper nur dann gesunden kann, wenn der Krebs vernichtet wurde. Wie sollen solche Gespräche aussehen, wenn Frieden nur dann möglich ist, wenn Israel von der Landkarte verschwindet?


Nachdenklich betrete ich den stark gesicherten, kleineren Teil Hebrons. Die Zugangsstraße ist menschenleer und wirkt wie ausgestorben. Auf dieser Seite der Stadt sorgen mehr als tausend Soldaten dafür, dass Konflikte möglichst vereitelt werden können, bevor sie eskalieren. Damit nicht wieder Blut fließt auf diesen historischen Straßen, die schon so viele Völker und Konflikte haben kommen und gehen sehen.


Hoffnung auf ein baldiges Ende des Konflikts? In Hebron glauben daran nur noch westliche Diplomaten.

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